Wachstumsprobleme vermeiden
- Anatomie des Knochens
- Am Knochenwachstum beteiligte Organe
- Erkrankungen des Knochengerüstes im Wachstum
- Ursachen unabhängig von der Fütterung
- Ursachen abhängig von der Fütterung

Die Anatomie des Knochens
Die Röhrenknochen des Hundes haben einen vierschichtigen Aufbau.
- Knochenhaut: An der Außenfläche des Knochens liegt die Knochenhaut. Sie besteht aus stark durchnervtem und durchblutetem Gewebe und ist eng mit dem darunterliegenden Knochenmantel verbunden. Die Knochenhaut führt über ihre Anbindung an die Blutbahn die Nährstoffe und Bausteine an den Knochen.
- Knochenmantel: Der Knochenmantel enthält die Mineralstoffe des Knochens. Obwohl er zum größten Teil aus anorganischem Material wie Calcium, Phosphor, Magnesium, etc. besteht, ist der Knochenmantel keineswegs leblos. Vielmehr ist sein Dasein von lebhaften Knochenstoffwechselvorgängen, also starker Zelltätigkeit, geprägt.
- Schwammschicht: In der Schwammschicht des Knochens befindet sich eine balkenförmige Struktur aus fibrinem Bindegewebe, die dem Knochen zusätzliche Elastizität und Stabilität gibt.
- Knochenmark: Das Knochenmark übernimmt verschiedene Aufgaben, u. a. bei der Blutbildung.
Die Knochen des Hundes sind zeitlebens aktiv und betreiben einen regen Stoffwechsel mit vielfältigen Aufbau-, Umbau- und Anpassungsvorgängen.
Während des Wachstums stehen die Verlängerung und die Zunahme der Knochensubstanz im Umfang im Vordergrund. Das Längenwachstum findet an den Epiphysen (Wachstumsfugen) der Knochen statt. Die Epiphysen befinden sich an den beiden Enden der Röhrenknochen. Vereinfacht gesagt entsteht hier durch rege Zellteilung neues Knorpelgewebe, das die beiden Enden des Knochens diesseits und jenseits der Epiphyse auseinandertreibt. In einiger Entfernung zur Wachstumsfuge setzt zunehmend die Mineralisierung des noch knorpeligen Gewebes ein. Erst hier erhält das neu gebildete Gewebe die Stabilität von Knochengewebe. Der Massenzuwachs im Durchmesser entsteht durch rege Zelltätigkeit im Bereich des Knochenmantels.
Am Knochenwachstum beteiligte Organe
An einem gesund wachsenden Knochengerüst sind viele Organe beteiligt. Die wichtigsten sind:
- Das endokrine System: Verantwortlich für ein gesundes Knochengerüst sind die Hypophyse (Hirnanhangdrüse), die Schilddrüse (hier insbesondere die Nebenschilddrüsen), die Nebennierenrinden sowie die Keimdrüsen. Die Bedeutung der hormonellen Vorgänge für das Wachstum wird in neuester Zeit als immer wichtiger eingestuft.
- Die Nieren: Die Voraussetzung für einen geordneten Mineralstoffhaushalt sind gesunde Nieren. Den Nieren obliegt die ausführende Funktion für den Mineralstoffhaushalt. Sie haben während des Wachstums erhebliche Leistungen zu verrichten, um den erhöhten Mineralstoffumsatz zu bewältigen.
- Der Darm: Im Darm werden die für den Knochen- und Gelenkstoffwechsel wichtigen Nahrungsbausteine aufbereitet und der Blutbahn zugeführt.
Erkrankungen des Knochengerüstes im Wachstum
Wir unterteilen die Erkrankungen hier nach den Regionen, in denen sie ihren Ausdruck finden.
Erkrankungen im Bereich des Gelenkes:
Erkrankungen am wachsenden Gelenkknorpel, insbesondere OCD (Osteochondrosis dissecans).
Dies bezeichnet eine Fehlbildung des Gelenkknorpels insbesondere an Schulter, Ellbogen und Knie mit der Ausbildung blasiger Strukturen und mangelnder Knorpelqualität. Es kann zu Absprengungen von Knorpel oder zum Fehlen ganzer Gelenkknorpelpartien kommen.
Typische Symptome sind Bewegungsunlust und unweigerlich rezidivierende akute Entzündungen der betroffenen Gelenke mit Lahmheit.Mangelnde Mineralisierung der Knochensubstanz im Gelenkbereich
Unter Umständen mit der Ausbildung von fibrinem Fasergewebe (Erkrankungen im Sinne einer Osteodystrophia fibrosa, die man in diesem Zusammenhang auch als jugendliche Arthrose bezeichnen könnte). Die Symptome entsprechen denen aller degenerativen Gelenkerkrankungen. Das heißt, es handelt sich weniger um akute Entzündungssymptome als um Bewegungsunlust oder auch stumpfen Gang („der Hund muss sich erst einlaufen").Mangelnde Ausbildung der Gelenkform
Ursache ist eine mangelnde Zelltätigkeit der Knochenbildner, was zu unanatomischen Entrundungen, Abflachungen und Fehlstellungen führt (typische Vertreter dieser Erscheinungsform von Wachstumsstörungen sind Dysplasie des Hüftgelenkes und des Ellenbogengelenkes).
Kennzeichnende Symptome sind unanatomische Beweglichkeit der betroffenen Gelenke und später Lahmheit durch Entzündung, die durch die unvollständige Ausformung des Gelenkes entsteht.Erkrankungen im Bereich der Epiphysen
Hier kommt es zu mangelnder Mineralisierung und damit Aushärtung der neu gebildeten Knochensubstanz. Die Gewebsveränderungen bestehen in mangelnder Mineralisierung und einer Zubildung von fibrinem Fasergewebe in der Epiphysenregion.
Typisch sind die harten, sicht- und tastbaren Vergrößerungen im Wachstumsfugenbereich. Der Vorgang kann sowohl unter Wärmebildung ablaufen als auch ohne akute Entzündungssymptome. Die entstehenden Gewebsveränderungen werden sinnvollerweise denen einer Osteodystrophia fibrosa zugeordnet. In extremen Fällen kann es zu einem einseitigen Zusammenbrechen der Wachstumsfuge kommen, in deren Folge der Knochen nur noch einseitiges Längenwachstum zeigt und ein regelrechter Knick im Knochen entsteht.
Typische Symptome von Wachstumsstörungen an den Epiphysen sind Bewegungsunlust in Verbindung mit zum Teil druckempfindlichen Umfangsvermehrungen im Wachstumsfugenbereich.Wachstumsstörungen im Bereich des Knochenmantels
Hier liegt eine mangelnde Tätigkeit der knochenaufbauenden Zellen (Osteoblasten) oder häufiger eine übermäßige Tätigkeit der knochenabbauenden Zellen (Osteoklasten) in Folge einer hormonellen Fehlsteuerung des Calciumstoffwechsels vor. Die Folge ist mangelnde Substanz des Knochenmantels, was zu Instabilität des Knochens führt (Rachitis und jugendliche Osteoporose). Das typische Symptom ist die Verkrümmung der Röhrenknochen über die gesamte Länge (im Unterschied zur Abknickung im Wachstumsfugenbereich beim Zusammenbruch der Epiphyse).
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die verschiedenen Ursachen für Wachstumsstörungen am Skelett des Hundes nicht eindeutig einer Erscheinungsform zugeordnet werden können. So kann eine hormonell bedingte Calciumstoffwechselstörung sowohl eine Rachitis als auch eine Osteodystrophia fibrosa am Gelenk hervorrufen. Die letztendliche Ausprägung der Erkrankung in einem bestimmten Symptombild hängt von der individuellen Disposition, den Lebens- und Haltungsbedingungen und anderen Faktoren ab.
Anmerkung: Osteodystrophia fibrosa
Eine Osteodystrophia fibrosa beim Hund ist eine Stoffwechselerkrankung des Knochens, die durch eine erhöhte Knochenresorption und den Ersatz von Knochengewebe durch Bindegewebe gekennzeichnet ist. Die Ursachen sind noch nicht eindeutig geklärt. Vermutet werden Nierenerkrankungen und daraus resultierende endokrine Störungen auch im Zuge einer fehlerhaften Ernährung.
Ursachen für Knochenstoffwechselentgleisungen während des Wachstums
Ursachen unabhängig von der Fütterung
Bewegungsüberlastung
Übermäßiges Toben und Nichteinhaltung nötiger Ruhephasen sowie Fahrradfahren oder verfrühtes, übertriebenes Training mit wachsenden Hunden führt insbesondere zu Epiphysenproblemen und zu Problemen im Gelenkbereich.Nierenüberlastung
Nierenüberlastung durch zu starke Konzentration von nierenbelastenden Substanzen wie Antibiotika, chemischen Floh- und Zeckenbekämpfungsmitteln sowie zu häufige und zu starke Wurmkuren, Umweltgifte (Insektizide, Pestizide) etc. führen insbesondere zu Störungen im Mineralstoffhaushalt, wodurch eine mangelnde oder übermäßige Mineralisierung im Gelenk- und Knochenmantelbereich provoziert werden kann.Störungen der Mikrobiota - Dysbiosen
Hier stehen Malabsorptionsprobleme im Vordergrund. Obwohl das Angebot an Nährstoffen ausreichend ist, kann der Körper die in der Nahrung verfügbaren Vitamine und Mineralstoffe nicht in die Blutbahn transportieren.Hormonstörungen
Hormonstörungen beim jungen Hund entstehen in der Regel durch Medikamente mit hormoneller Wirkung wie z. B. Anabolika, Kortikoide, ACTH-Verbindungen, Östrogene, Testosterone etc. Durch eine Imbalance im hormonellen System können Wachstumsstörungen ausgelöst werden. Insbesondere der Calcium/Phosphor-Stoffwechsel, der über die Nebenschilddrüsen und die Schilddrüse gesteuert wird, ist für Störungen dieser Art empfänglich.
Ursachen abhängig von der Fütterung
Primäre Mineralstoffunterversorgung
Das Auftreten einer primären Mineralstoffunterversorgung ist bei einer Verfütterung von Fertigfutter aufgrund der üblichen hohen Dosierung an ernährungsphysiologischen Zusatzstoffen nahezu ausgeschlossen. Dieses Problem kann bei selbst zusammengestellten Rationen oder beim BARFen durch eine unsachgemäße Futterzusammenstellung entstehen.Vitamin- und Mineralstoffüberversorgung
Überversorgungen insbesondere mit Calcium und Vitamin D können am Ende zu einem Calciummangel führen. Der Zusammenhang zwischen Wachstumsstörungen und einer Demineralisierung des Skeletts infolge einer Vitamin- und Mineralstoffüberversorgung wurde lange Zeit vernachlässigt.
Ein Zuviel an Calcium und synthetischen Vitamin D sowie Vitamin A ist als genauso risikoreich einzustufen wie eine Calciumunterversorgung. Die Verabreichung zusätzlicher Kalktabletten, die fast alle synthetisches Vitamin A und Vitamin D enthalten, zu einem normalen Alleinfutter führt fast zwangsläufig zu einer Knochenstoffwechselstörung beim jungen Hund. Selbst Jürgen Zentek warnt hiervor.
Nicht ohne Grund, denn die meisten Hundealleinfutter enthalten bereits einen sehr bis zu hohen Anteil an Calcium, in der Regel in Kombination mit den Vitaminen A und D, welche die Calciumresorption im Darm unnatürlich forcieren.
Anders gesagt: Calciumwerte von über 1% bergen in Verbindung mit der Zugabe von Vitamin D und Vitamin A insbesondere bei großen Hunderassen eine nicht zu unterschätzende Gefahr einer gravierenden Knochenstoffwechselentgleisung in sich.
Hier kann ein natürliches Fütterungskonzept ansetzen. Der Calcium- und Gesamtmineralstoffgehalt in den Rationen für Welpen und Junghunde sollte modernen Erkenntnissen der ganzheitlichen Ernährungsphysiologie gerecht werden. Dadurch, dass keinerlei synthetische Vitamine zugesetzt werden, kann es zu keiner fütterungsbedingten Dysfunktion im Calciumstoffwechsel kommen. Insbesondere der Gefahr einer fütterungsbedingten sekundären Calciumunterversorgung der Knochen kann so wirkungsvoll entgegengetreten werden.Nierenbelastende Komponenten
Je nach Art und Menge der eingesetzten Geschmacksverstärker, Antioxidantien und Konservierungsmittel kann es zu einer erheblichen Nierenbeeinträchtigung kommen. Darum sollte im Hundefutter auf sämtliche Zusätze verzichtet werden.Eiweißüberfütterung
Ein Zuviel an Eiweiß, insbesondere an minderwertigem Eiweiß, führt beim wachsenden Hund schnell zu einer Nierenüberlastung. Infolge der Nierenüberlastung kann es leicht zu Fehlfunktionen im Mineralstoffhaushalt kommen. Man sollte sich vergegenwärtigen, dass die Nieren des jungen Hundes bereits durch die Wachstumsprozesse stark beansprucht sind. Darum ist es wichtig, einen angemessenen Anteil an hochwertigen Eiweißen im Futter zu haben, die nierenentlastend verarbeitet werden können. Selbst zusammengestellte Rationen werden diesen Ansprüchen leicht gerecht. Man hat die Wahl und kann auch die Qualität der Zutaten begutachten. Dies ist bei industriell hergestelltem Futter nicht der Fall. Hier ist man gezwungen, den Aussagen der Hersteller Glauben zu schenken.
Ursache Energieüberschuss
Im Zusammenhang mit Wachstumsstörungen wird auch immer wieder ein Energieüberschuss als Ursache aufgeführt.
Es versteht sich von selbst, dass man Welpen und Junghunde in einem optimalen, recht schlanken Futterzustand halten sollte. Übergewicht in diesem Alter ist selbstredend kontraindiziert. Dennoch ist bei den allermeisten jungen Hunden eine Ad-libitum-Fütterung möglich, wobei der optimale Futterzustand als Kontrollparameter bzw. als Regulativ einzusetzen ist.
Eine Gefahr besteht bei einer Ad-libitum-Fütterung eigentlich nur, wenn man Fertigfutter einsetzt, das mit vitaminisiertem Mineralfutter versetzt ist. Hier kommt es schnell zu toxischen Dosierungen insbesondere an Vitamin A und D sowie Kupfer, Selen etc., die der Hersteller natürlich vermeiden möchte bzw. muss. Daher wird das „Großhungern“, um ein „zu schnelles Wachstum“ und damit Wachstumsstörungen zu vermeiden, meiner Ansicht nach gerne als Grund gegen eine Ad-libitum-Fütterung aufgeführt. Letztendlich sind aber die Zusatzstoffe das Problem. Leider wird die Futtermenge gerade bei großen Hunden dadurch häufig unnatürlich niedrig gehalten, was ebenfalls zu heftigen Problemen führen kann.
Hier ist - wie so oft – das richtige Maß zu finden. Bei selbst zubereiteten Rationen, kann man den Anteil an Mikronährstoffen über natürliche Zutaten und Ergänzungsfuttermittel sehr gut einstellen. Ein natürliches Angebot an Vitaminen und Mineralstoffen unterstützt die körpereigenen Regulationsmechanismen sowie das Immunsystem. Überversorgungen sind (fast) nicht möglich.
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Aktualisiert August 2025