Schicksalsdiagnose: Durchfallerkrankung?

Ein Beitrag von Ingeborg Kulgemeyer

Durchfallerkankungen gehören ohne jeden Zweifel zu jedem Hundeleben dazu. Neben Infektionen stellt die Aufnahme von Unrat oder toxischen (giftigen) Substanzen – z. B. in Form von Nagergiften und Insektiziden eine Hauptursache dar (siehe unten *Erhebung der Tierärztlichen Fakultät München, Prof. Dr. Hermann Ammer). Aber auch im Rahmen von Futterumstellungen oder als allergische Reaktion auf synthetische Zusatzstoffe sowie einzelne Futterkomponenten können – neben anderen Verdauungsstörungen – Durchfälle auftreten.

Die Tatsache an sich ist keine Neuigkeit und gehört wie gesagt leider dazu. Was sich aber in den letzten 10-15 Jahren deutlich verändert hat, ist die immer mehr um sich greifende Therapieresistenz bei Durchfallerkrankungen. Obwohl man schon viele Jahre lang weiß, dass ein Antibiotikum – wenn pauschal unabhängig von der Ursache gegeben – sicherlich nicht bei jedem Durchfall das optimale Medikament der Wahl ist, war diese Behandlung doch in den meisten Fällen relativ erfolgreich. Der Hund kam mehr oder weniger schnell wieder auf die Beine. Der vielleicht bei einigen Hundehaltern im Hinterkopf lauernde Gedanke, dass die Antibiose als Nebenwirkung die komplette Darmflora ruinieren könnte, verlor an Bedeutung, wenn man nicht unmittelbar davon betroffen war. Selbiger Gedanke wurde leider auch von vielen Tiermedizinern ignoriert bzw. verdrängt. Schade, da doch schon eine Ewigkeit eindeutig belegt ist, dass neben den „bösen" Mikroorganismen im Darm auch die „guten" von Antibiotika radikal angegangen werden. Dies ist letztendlich auch die Hauptursache dafür, dass die Regeneration der Mikroflora so schwierig und langwierig sein kann.

Durchfall als Eintrittspforte in chronische Erkrankungen

Mittlerweile hat sich dies geändert, der Erfolg dieser Therapie lässt zu wünschen übrig oder bleibt im schlimmsten Fall ganz aus. Das verstärkte Bewusstsein für die Gefährlichkeit von MREn (Multiresistenten Erregern) und der damit verbundenen Antiobiotikaproblematik, hat eine aktive Diskussion und Suche nach wirksamen Alternativen nicht nur im Human- und Nutztierbereich ausgelöst. Auch in der Behandlung der Hunde kommt man nicht mehr umhin, festzustellen, dass die Therapie meisten nur anschlägt, solange die Antibiotika gegeben werden. Immer härtere Antibiotika sind notwendig, die gleichzeitig auch immer radikaler die gute Darmflora zerstören. Setzt man sie ab, kommt der Durchfall zurück, da die Mikroflora sich nicht schnell genug wieder aufbauen kann. Häufig wird eine weitere Antibiose eingeleitet. Dieses Spiel wiederholt sich dann ein paar Mal, wodurch das Risiko steigt, dass andere Organe in Mitleidenschaft gezogen werden. Leber- und Nierenprobleme oder eine Beeinträchtigung der Bauchspeicheldrüsenfunktion als Folge sind daher keine Seltenheit. Letzteres zieht meistens die Gabe von Verdauungsenzymen nach sich – oft für das gesamte weitere Hundeleben. Auch das in den letzten Jahren vermehrte Auftreten der chronischen Darmentzündungen IBD ( „Inflammatory Bowel Disease“ ) sollte man einmal unter diesem Aspekt neu bewerten. Unabhängig davon, dass all dies ein echter Leidensweg für viele Hunde ist, wird auch die Finanzierung der hohen Tierarztkosten für viele Hundehalter immer mehr zum Problem.

Was tun?

Gesamtgesellschaftlich gesehen ist es dringend notwendig, dass Tierärzteschaft und Pharmaindustrie sich diesem Problem offensiver stellen, auch was Hunde und Katzen betrifft. Meisten stehen im Veterinärbereich die Nutztiere im Vordergrund – u. a. auch aus finanziellen Gründen. Zwar gibt es immer mehr verantwortungsbewusste Tiermediziner, die überlegter therapieren und einen Blick über den Gartenzaun z. B. auch auf Naturheilverfahren wagen. Doch die Mehrzahl beharrt immer noch auf die herkömmliche Therapie.

Auch wenn unbestreitbar ist, dass nicht jede Erkrankung, die als Symptom u. a. Durchfall mit sich bringt, dauerhaft heilbar sein muss, hat man als Hundehalter an dieser Stelle aber eine Wahl und der Hund eventuell eine Chance: kritisch nachfragen und alternative Therapien anfordern, einen Tierarzt oder Tierheilpraktiker suchen, der offen auf die gegebene Problematik schauen kann und flexibel handelt. Dies ist in jedem Fall einen Versuch wert.

Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang, dass grundsätzlich ein maßvoller und verantwortungsbewusster Umgang mit chemischen Medikamenten, Wurmkuren und Antiparasitika dringend gefordert ist. Alles, was die Darmflora schädigt, muss – soweit möglich – minimiert werden. Dies beinhaltet z. B.: Wurmkuren nicht pauschal, sondern nur bei tatsächlichem Befall (nach Auswertung einer Sammelkotprobe) verabreichen. Gleiches gilt für chemische Antifloh- und Antizeckenpräparate. Es gibt mittlerweile genügend natürliche, wirksame Mittel, die gleich gut schützen und keine Nebenwirkungen haben, so dass man nur im Notfall Chemie anwenden sollte. Vielleicht müssen wir uns alle noch mehr daran gewöhnen, dass ein Zuviel an chemischer Prophylaxe am Ende mehr schadet als die Ursache, die wir eigentlich bekämpfen wollten.

Ein weiterer wichtiger Punkt: die Fütterung

Belasten wir den Darm und den Stoffwechsel des Hundes grundsätzlich schon mit synthetischen Vitaminen und anderen chemischen Zusatzstoffen, ungeeigneten, minderwertigen Zutaten oder falsch zusammengestellten Rationen, schwächen wir den Hund. So erhöht sich für den Fall einer notwendigen chemischen Therapie die Gefahr, dass der Hund am Ende mit einer chronischen Erkrankung dasteht. Sicherlich wirbt heute fast jeder Hersteller unseriöserweise mit einem angeblich „ natürlichen Produkt in Lebensmittelqualität ohne Zusatzstoffe". Doch ein Blick auf die Deklaration und gegebenenfalls ein konkretes Nachhaken beim Hersteller kann dies in den allermeisten Fällen sofort bestätigen – oder eben nicht. Jeder Hundebesitzer hat die Möglichkeit, sich hier zu wappnen und aktiv Prophylaxe zu üben. Es gilt, an dieser Stelle ebenfalls Eigenverantwortung zu übernehmen.

Auch in den Bereichen Leckerlis und Ergänzungspräparate kommt es allzuoft zu unbeabsichtigten Schwächungen des Immunsystems der Hunde. Unabhängig davon, dass Leckerchen nun einmal nicht als Alleinfutter konzipiert werden und darum nur in kleinerer Menge zur Verfütterung geeignet sind (höchsten bis zu 25 % der Gesamtration des Tages), kann man auch hier genau hinschauen. Viele Leckerlis sind mit Aroma- und Konservierungsstoffen etc. sowie mit ungeeigneten – wenn auch trendigen – Substanzen bis oben hin angereichert. Hier kann man als Hundebesitzer ebenfalls anfangen, einen Schritt in die richtige Richtung zu tun und konsequent auf natürliche Produkte zurückgreifen, die die Darmflora meines Hundes nicht schädigen.

Gefragt ist der Mut zu gesundem Menschenverstand

Und vielleicht ist dies genau der Punkt: es ist wichtig, sich mehr auf seinen gesunden Menschenverstand als nur auf chemische Präparate und dubiose Versprechungen zu verlassen. Dies gilt auch z. B. für die Anfütterungsphasen nach Durchfallerkrankungen. Ist nach einem Durchfall die Darmflora geschädigt, dann ist eine Menge – und wir sprechen hier wirklich von einer großen Menge – an Geduld gefragt. Bis sich eine zerstörte Darmflora wieder regeneriert hat, können durchaus 8-12 Wochen oder mehr vergehen. In dieser Zeit kann es zu Schwankungen der Kotkonsistenz, Blähungen und breiigem Kot kommen. Dies ist nervenaufreibend, aber leider normal. Man sollte hier nicht den Fehler machen, hektisch zu werden, das Heil in immer neuen Antibiosen zu vermuten und den Hund zusätzlich noch mit dauernden Futterumstellungen zu stressen, weil man die Geduld verliert.

Hunde sind nun einmal Lebewesen und somit den Naturgesetzen unterworfen. Eine wirkliche Heilung braucht Zeit. Wenn man diese Zeit gewährt, hat man allerdings einen großen Vorteil. Man geht die Ursache an, der Körper kann sich regenerieren und ein starkes Abwehrsystem aufbauen. Unterstützung durch geeignetes naturbelassenes Futter, ein kluges Gesundheitsmanagement in Bezug auf Pflege, Haltung und medikamentöse Versorgung ergänzen diese natürliche Prophylaxe.

So kann man auch als Hundehalter selbst, seine Fellnase besser vor zukünftigen Krankheiten schützen helfen – wenn auch nicht in jedem Fall. Es gibt die Chance, den Teufelskreislauf, der durch eine Durchfallerkrankung ausgelöst werden kann, zu unterbrechen. So muss eine Durchfallerkrankung nicht automatisch zu einer Schicksalsdiagnose werden.

* Relative Häufigkeit von Vergiftungsursachen beim Hund laut Prof. Dr. Hermann Ammer, Tierärztliche Fakultät München: 30 % Nagergifte, 25 % Medikamente, 24 % Insektizide, 15 % Schneckenkorn, 6 % Sonstige

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Aktualisiert Januar 2018

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